Jina Khayyer – Im Herzen der Katze

Als im September 2022 die 22-jährige kurdische Iranerin Jina Mahsa Amini starb, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen einer angeblich zu nachlässig getragenen Kopfbedeckung ins Koma geprügelt wurde, brachen die bislang größten und sehr breit gestreuten Proteste gegen das Mullah-Regime aus. Unter dem Motto „Jin, Jiyan, Azadi“ (auf Persisch „Zan, Zendegi, Āzādi“, dt. Frau, Leben, Freiheit) gingen die unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten auf die Straße, um gegen die Repressionen der Regierung zu protestieren. Diese reagierte wiederum mit massiver stattlicher Gewalt, konnte die Unruhen aber nur schwer und bis heute nicht ganz unterdrücken. Die Ich-Erzählerin im Debütroman Im Herzen der Katze der Journalistin und Malerin Jina Khayyer erfuhr von den Ereignissen zunächst über ihren Instagram-Feed. Aber auch noch im Iran lebende Familienmitglieder berichteten ihr nahezu live.

Ich-Erzählerin Jina – man kann davon ausgehen, dass sie viel mit der Autorin gemein hat – ist iranischer Abstammung, ihre Eltern sind aber schon vor der islamischen Revolution nach Deutschland geflohen und sie ist dort geboren. Ihre Schwester Roya ist in den 1990er Jahren in den Iran zurückgekehrt, hat einen iranischen Mann geheiratet und lebt dort mit ihrer Tochter Nika. Mit beiden verbindet Jina ein enges Verhältnis und sie macht sich vor allem Sorgen um ihre unangepasste Nichte. Über Facetime, Instagram und Telefon stehen sie während der Unruhen in engem Austausch. Gleichzeitig erinnert sich Jina an eine ihrer seltenen Reisen 2009 in das Herkunftsland ihrer Eltern und zu ihrer Schwester nach Teheran.

Roadtrip ins Herz der Katze

Nach ausgiebigen Verwandtenbesuchen brechen beide mit dem Jeep weiter ins „Herz der Katze“, also ins Landesinnere, auf, denn für Jina Khayyer erinnert die Form des Landes an eine Katze. „Fahrer“ des Jeeps ist Iman. Bald rätseln die Schwestern, ob Iman ein Mann (äußerlich spricht vieles dafür und den Job eines Fahrers kann hier eigentlich auch nur ein Mann ausüben) oder eine Frau ist (auch dafür spricht manches in der Erscheinung). Queerness spielt daher auch eine bedeutende Rolle im Roman. Iman ist eine Frau, die sich um der Freiheit willen als Mann ausgibt. Das bedeutet allerdings auch eine große Gefahr für sie, sollte das entdeckt werden. Jina selbst ist lesbisch und zwischen den beiden entspinnt sich eine zarte, mehr angedeutete Affäre.

Der Text wird zu einer Roadnovel, die Reise geht von Teheran nach Isfahan, nach Shiraz, Persepolis und schließlich direkt ins „Herz“, in die Wüste um Yazd. Man merkt der Erzählerin – und der Autorin – die tiefe Liebe zum Land an. Die Landschaft, die Farben, die Speisen, aber vor allem die Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Menschen und die Subversivität großer Bevölkerungsgruppen, vor allem der starken Frauen dort, die trotz der Repressionen versuchen, ein gutes Leben zu führen, beeindruckt sie sehr. Auch die persische Sprache, die sie nur spricht und versteht, aber nicht lesen oder schreiben kann, die aber so voller Poesie und malerischer Umschreibungen ist, liebt sie sehr.

Jin, Jiyan, Azadi

Wie in vielen Romanen über bei uns nicht so sehr bekannte Regionen oder Sachverhalte, wird auch Jina Khayyer in Das Herz der Katze relativ viel Sachwissen vermittelt. Das geschieht oft in Dialogen, dennoch ist das hier bei Weitem nicht so hölzern wie so oft. Aber man merkt dem Text natürlich an, dass er auch eine politische Aussage treffen will. Er ist eine Liebeserklärung an das iranische Volk, an die iranischen Frauen, oft weit entfernt von den verbissenen, fundamentalistischen Mullahs. Die haben keine Probleme damit, Mann und Frau in enge Sammeltaxis zu pferchen, die mehr Sardinenbüchsen gleichen, nebeneinander beten ist hingegen wie so vieles tabu. Absurd und widersprüchlich.

Die alte patriarchale Masche der Beherrschung und totalen Kontrolle des weiblichen Körpers dient in erster Linie ihres Machterhalts. Dagegen revoltieren die liberaleren Kreise im Iran nun schon seit langem. Ihr Aufbegehren sollte nicht vergessen werden. „Jin, Jiyan, Azadi“. Jina Khayyer erzählt in Im Herzen der Katze davon aufs Schönste.

 

Beitragsbild: by Herzi Pinki, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

 

Jina Khayyr - Im Herzen der Katze.

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Jina Khayyer – Im Herzen der Katze
Suhrkamp Juli 2025, Fester Einband mit Schutzumschlag, 253 Seiten, € 25,00

 

 

 

 

 

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