Goldstrand von Katerina Poladjan führt uns auf einen zu knapp 160 Seiten extrem verdichteten Streifzug durch die europäische Geschichte, ist ein Familienroman mit den Schauplätzen Odessa, Istanbul, Rom und Oranienburg, der auch Philosophie, Film und Architektur einbindet. Toll!
Los geht es in Odessa auf der Potemkinschen Treppe. Und jeder Lesende hat sofort die Szene aus Eisensteins berühmtem Film vor Augen. In Goldstrand gehen dort im Jahr 1922 Lew mit seinen beiden Kindern Felix und Vera zum Hafen hinunter, um dort auf der Flucht vor den Bolschewiki ein Schiff zu besteigen, das sie außer Landes, nach Konstantinopel bringen soll. In der Nacht geht auf See Vera über Bord und wird nie wieder gefunden. Ein Unglück? Selbstmord? Flucht? Vater Lew gibt die Hoffnung nicht auf, wenigstens ihre Leiche zu finden. Er ermittelt Warna an der bulgarischen Schwarzmeerküste als wahrscheinlichsten Ort ihrer „Landung“ – ob tot oder lebendig.
Am Goldstrand
Dort errichtet der ehemalige Philosophiedozent mit seinem Sohn eine Hütte am Strand und lebt fortan vom Korbflechten. Sohn Felix entwickelt sich zu einem erfolgreichen Architekten, der in den 1950er Jahren an der Entwicklung des „Goldstrandes“, dem sozialistischen Traum von „Ferien für alle“, mitwirkt. Dort lernt er die rebellische Italienerin Francesca kennen. Aus der Verbindung für eine Nacht entspringt Eli, der Erzähler im Buch.
Eli, der nun Regisseur ist, erzählt uns und der Dottoressa, auf deren römischer Couch er liegt, von seiner Familie und sich. Wieviel davon wahr ist, wieviel der Inszenierung des Regisseurs geschuldet, mögen die Leser:innen beurteilen. Aber mit Eli liegen hundert Jahre europäische Geschichte mit auf der Couch, Sozialismus, Faschismus, Krieg. Und Elis Tochter mit einer Deutschen macht italienische Führungen in der Gedenkstätte Sachsenhausen. Nach einiger Zeit bekommt der Text etwas Irritierendes, etwas zunehmend Irreales, fast Surrealistisches. Und das alles wird in einem wunderbar klaren, lakonischen Stil und sehr heiter erzählt. Dazu kommen viel römisches Flair und (fast ein bisschen zu wenig) Goldstrand. Das Buch hat mir viel Spaß gemacht.
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Katerina Poladjan – Goldstrand
S. Fischer August 2025, 160 Seiten, gebunden, € 22,00







