In diesem Jahr sind die Philippinen Gastland bei der Frankfurter Buchmesse. Wie bei jedem Gastland werden zu diesem Anlass außergewöhnlich viele Übersetzungen ins Deutsch präsentiert. So auch zum ersten Mal ein Buch der Nationalpreisträgerin Katrina Tuvera, Die Kollaborateure. Darin erzählt die Autorin über die stark postkolonial geprägte Geschichte ihres Landes anhand einer Familie. Mehr als 300 Jahre unter spanischer Herrschaft, amerikanische Kolonie bis 1946, brutale Besatzung durch Japan im Zweite Weltkrieg – die Philippinen standen seit dem 16. Jahrhundert durchgehend unter Fremdherrschaft. Und rutschten nach der Unabhängigkeit 1946 von einer starken Abhängigkeit von den USA in die zunehmend diktatorische Herrschaft von Ferdinand Marcos und seinem Clan. Der durchschnittliche Lesende wird eher wenig Kenntnis über die philippinische Geschichte haben. Da ist das sachkundige Nachwort von Annette Hug sehr hilfreich. Ein bisschen Recherche im Internet kann auch nicht schaden. Weiterlesen „Katrina Tuvera – Die Kollaborateure – Kurz vorgestellt“
Schlagwort: Autorinnen
Jacqueline Kornmüller – 6 aus 49 – Kurz vorgestellt
Jacqueline Kornmüller, Theaterregisseurin und Schauspielerin, hat mich mit ihrer von Kat Menschik reizvoll illustrierten Novelle Das Haus verlassen bezaubert. Ein wenig schräg, ein wenig skurril, ein wenig poetisch und zärtlich. Auch ihren Debütroman hat Kat Menschik mit einem schönen Cover geschmückt. Jacqueline Kornmüller erzählt darin von ihrer 1911 in Niederbayern in einer großen Familie und in großer Armut aufgewachsenen Großmutter Lina, die sich mit viel Fleiß und Arbeit und einer ganzen Portion Glück zur Hotelière und Dank 6 aus 49 zur vermögenden Frau gemacht hat. Weiterlesen „Jacqueline Kornmüller – 6 aus 49 – Kurz vorgestellt“
Anja Kampmann – Die Wut ist ein heller Stern
Hafenstadt Hamburg in den 1930er Jahren. Spätestens seit dem 30. Januar 1933 treten die braunen Horden auch in der als „rot“ bekannten Stadt immer ungenierter auf. Das bekommen alle Einwohner immer deutlicher zu spüren, besonders aber natürlich die jüdischen Mitbürger und die randständigen, die marginalisierten Bevölkerungsgruppen. Für letztere interessiert sich die Autorin Anja Kampmann in ihrem großartigen, prallen Roman Die Wut ist ein heller Stern besonders. Es sind die etwas zwielichtigen Etablissements, die ärmlichen Stuben der Arbeiterviertel, die Glitzerwelt der heruntergekommenen Revuetheater, die Bordelle und kommunistischen Sportclubs, die dunklen Hinterhöfe, in denen die Handlung verortet ist. Der Roman legt dabei den Fokus auf die Frauen. Viel zu wenig thematisiert werden nach wie vor die Repressalien und die Verfolgung, die beispielsweise die Prostituierten, Tänzerinnen und Akrobatinnen der Reeperbahn erleiden mussten. Weiterlesen „Anja Kampmann – Die Wut ist ein heller Stern“
Jehona Kicaj – ё
„Nach dem Aufwachen habe ich einen Splitter im Mund.“ Das Ergebnis eines intensiven Bruxismus, der der Ich-Erzählerin vom Arzt attestiert wird, eines starken Zähneknirschens, bei dem der Zahnschmelz zerstört wird. Dabei ist Zahnschmelz die härteste Substanz des Körpers. Bruxismus und die damit verbundene Knorpelschädigung kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass schmerzfreies Kauen und Sprechen nicht mehr möglich ist. Sprachlosigkeit wäre also eine Folge, dabei zieht sich Sprachlosigkeit und Schweigen bereits durch das Leben der Erzählerin, Kind von nach Deutschland geflüchteten Kosovo-Albanern. Schweigen über die Herkunft, den Krieg, allmählicher Verlust der Muttersprache. Jehona Kicaj wählt für ihren eindringlichen, poetischen Roman den Buchstaben ё als Titel, einen Buchstaben, der in der albanischen Sprache omnipräsent ist, oft aber gar nicht ausgesprochen wird. Weiterlesen „Jehona Kicaj – ё“
Sarah Lorenz – Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken
Die große Begeisterung, die – zumindest auf Instagram – über dieses Buch ausgebrochen ist, kann ich leider nicht verstehen. Oder ich kann sie eben nur mit Blick auf die starke Präsenz der Autorin auf Bookstagram, dort unter dem Namen @buchischnubbel unterwegs mit knapp 20.000 Followern, verstehen. Wahrscheinlich bin ich aber auch einfach nur mal wieder nicht die passende Zielgruppe für das Buch von Sarah Lorenz namens Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken. Der Lackmustest hierzu ist recht einfach: „Ich bin so erschöpft vom Fühlen“ heißt es einmal im Buch. Und wer diesen Satz okay findet, der kann es mit diesem autobiografisch inspirierten und mit überquellenden (für mich eher übermäßigen) Gefühlen angefüllten Roman sicher mal versuchen. Ich konnte mit der 39-jährigen Ich-Erzählerin Elisa, die auf ihre ziemlich traurige Kindheit und Jugend zurückblickt, in ihren Gefühlen badet und die Dichterin Mascha Kaléko verehrt, so gar nicht warm werden. Weiterlesen „Sarah Lorenz – Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken“
Barbara Kingsolver – Die Unbehausten
Unsheltered – so der Originaltitel des bereits 2018 erschienenen, soeben auf Deutsch herausgekommenen Romans von Barbara Kingsolver, der mit Die Unbehausten nur leidlich gut getroffen wird. „Die Ungeschützten“ wäre vielleicht passender, hätte aber einen Beiklang, der ein wenig an einen verpassten Impftermin erinnert. Dabei geht es im Buch um ein allumfassendes Gefühl des ungeschützt Seins, des bröckelnden gesellschaftlichen Halts, der sozialen Unsicherheiten. Verkörpert wird dies durch ein baufälliges viktorianisches Haus im US-amerikanischen Vineland/New Jersey. Zwei Familien sind über es durch die Jahrhunderte verbunden (auch wenn sich am Ende herausstellt, dass es sich gar nicht um ein und dasselbe Haus handelt, der Platz ist derselbe). Weiterlesen „Barbara Kingsolver – Die Unbehausten“
Charlotte Gneuß – Gittersee – Kurz vorgestellt
Im Herbst 2023 war wohl keine Debatte in der Literaturwelt so heiß wie die um den Debütroman Gittersee von Charlotte Gneuß. Der Roman war für den Deutschen Buchpreis nominiert und hatte den Preis der Jürgen Ponto Stiftung genauso wie den Aspekte-Literaturpreis gewonnen. Das Lob der Literaturkritik war – teils mit kleinen Abstrichen – fast einhellig. Wäre da nicht die sogenannte „Mängelliste“ gewesen. Eigentlich – zumindest offiziell – nur für den verlagsinternen Gebrauch gedacht, erreichte sie die Öffentlichkeit und auch die Buchpreis-Jury. Und plötzlich wurde heftig diskutiert. Um Ungenauigkeiten, Fehler, vor allem aber darum, ob man das überhaupt darf, als junge, 1992 geborene, westdeutsch aufgewachsene Autorin über die DDR im Jahr 1976 zu schreiben. Eine eigentlich lächerliche Debatte, die aber hohe Wellen schlug. Und die gegenüber einem Debütroman besonders unangebracht war. Weiterlesen „Charlotte Gneuß – Gittersee – Kurz vorgestellt“
Yuko Kuhn – Onigiri
Yuko Kuhn, 1983 in München geboren, schreibt in ihrem Debütroman Onigiri über eine Mutter-Tochter-Beziehung, die stark autobiografisch geprägt ist. Das Aufwachsen in zwei Kulturen thematisiert sie anhand ihrer Protagonistin Aki genauso wie das zunehmende Abgleiten der Mutter Keiko in die Demenz. Keiko, die Anfang der 1970er Jahre nach Deutschland kam, wo sie ihren zukünftigen Mann Karl, den Vater von Aki beim Chorsingen kennenlernte, zwei Kinder auf die Welt brachte. Und die in Deutschland nie so richtig angekommen ist. Yuko Kuhn erzählt davon still, unaufgeregt und liebevoll. Weiterlesen „Yuko Kuhn – Onigiri“
Julia Kelly – Das Geschenk des Meeres – Kurz vorgestellt
Im Debütroman Das Geschenk des Meeres von Julia R Kelly befinden wir uns im Jahr 1900 in dem kleinen schottischen Küstenort Skerry. Hier lebt man vom Fischfang, das Wetter ist rau und die See gefährlich und tückisch. An einem stürmischen Wintertag rettet der Fischer Joseph einen kleinen Jungen aus dem Meer und bringt dadurch Erinnerungen an einen dramatischen Tag vor fünfzehn Jahren wieder ins Bewusstsein der Dorfgemeinschaft, die dadurch ordentlich durcheinandergewirbelt wird. Weiterlesen „Julia Kelly – Das Geschenk des Meeres – Kurz vorgestellt“
Annett Gröschner – Schwebende Lasten
Schwebende Lasten ist der so poetische wie passende Titel eines Romans, in dem Annett Gröschner ein ganzes Frauenleben im 20. Jahrhundert erzählt. Ein Leben, das so einzigartig wie exemplarisch ist, das ähnlich millionenfach gelebt wurde und doch in der Regel unsichtbar bleibt. Weiterlesen „Annett Gröschner – Schwebende Lasten“