Der Retter ist das dritte Buch des Holländers Mathjis Deen mit Kommissar Liewe Cupido nach Der Holländer und Der Taucher. Die Bücher eine Krimireihe zu nennen, scheue ich mich ein wenig. Es gibt viel polizeiliche Ermittlungsarbeit, Verbrechen und einen Leichenfund. Und doch drehen sie sich alle in erster Linie um ganz andere Dinge als Mord und Totschlag. Und bescheren trotz aller vorhandenen Spannung weder Gänsehaut noch Nervenkitzel, sondern verbreiten im Gegenteil eine große Ruhe und Entschleunigung.
Alle drei Romane spielen in der Inselwelt der Nordsee, an der Grenze zwischen den Niederlanden und Deutschland. So auch Der Retter. Der Prolog beginnt mit einem Rückblick auf eine stürmische Märznacht im Jahr 1995. Der Schlepper Pollux hat die von ihm gezogene Plattform in der rauen See vor der Düneninsel Rottumerplaat verloren und ist nachfolgend selbst in Seenot geraten. Seenotretter aus Ameland und Norderney starten zur gemeinsamen Aktion und können tatsächlich alle Besatzungsmitglieder bergen – bis auf den Kapitän Jacob Peiser. Dieser bestand auf der Rettung eines Koffers und geriet danach außer Sicht. Zwanzig Jahre später entdecken Strandwanderer im Schlick einer normalerweise überfluteten Grotte ein Skelett.
Die Überprüfung des Zahnstatus und ein DNA-Abgleich mit Tochter Lotte Peiser bestätigt, dass es sich um den Kapitän der Pollux handelt, dass dieser aber nicht der Vater von Lotte ist. Die befragten Angehörigen, ehemaligen Seeretter und Anwohner auf Norderney sind wenig auskunftsfreudig und hilfreich. Es treten immer mehr Widersprüche und Ungereimtheiten auf.
Kommissar Liewe Cupido ist wenig scharf auf den Fall. Ihn treibt seit Der Taucher der Tod seines Vaters um. Der erfahrene Fischer Jan Cupido ist ertrunken als Liewe noch ein kleiner Junge war. Die Umstände dieses Todes liegen ebenfalls im Dunkeln. Deshalb ist Liewe froh, dass sein junger Kollege Xander Rimbach auf der Insel Norderney ermittelt. Als dieser allerdings eine schwere Vergiftung erleidet, muss der Kommissar wohl oder übel einspringen.
Auch in Der Retter geht Mathijs Deen so leise und bedächtig den kleinen und großen Tragödien hinter dem zu ermittelnden Tatbestand nach wie in den vorherigen Büchern. Großartige Landschaftsbeschreibungen des rauen Wattenmeeres und seiner Inseln verbreiten eine große Ruhe. Man spürt förmlich die Weite der Nordsee. Dabei ist Deen aber meilenweit entfernt von jeder Art von Regionalkrimi oder von falscher Inselromantik. Das Leben dort ist keine beschauliche Postkartenidylle.
Wieder dabei sind mittlerweile liebgewonnene Figuren wie Cupidos Hündin Vos, seine Freundin Miriam, die eigentlich im letzten Roman pensionierte Geeske Dobbenga von der Wasserschutzpolizei, die hier nochmal einspringen muss. Am Ende gelangt neben der Klärung der Vorgänge bei der Seenotrettung vor zwanzig Jahren auch ein wenig Licht in die Umstände von Jan Cupidos Ertrinkungstod. Aber nur um neue familiäre Verwicklungen in der Familie Cupido zu enthüllen. Zum Glück für die Leser:innen. Ist so doch eine Fortsetzung sehr wahrscheinlich. Ich freue mich drauf.
Beitragsbild: Seenotrettungskreuzer Harro Koebke by Rolls-Royce Power Systems AG (CC BY-NC-SA 2.0 Deed) via Flickr
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Mathijs Deen – Der Retter
Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke
Mare März 2024, gebunden, 384 Seiten, 23,00 €