Nicht schon wieder ein Roman von einem Fußballer oder Schauspieler könnte man denken. Warum bleiben die nicht bei dem was sie wirklich können, könnte man denken. Aber abgesehen davon, dass Letztere meistens zumindest gut mit Sprache umgehen können, ist es wirklich erstaunlich, wieviele richtig tolle – meist autofiktionale – Bücher von Schauspielern erscheinen. Joachim Meyerhoff, Edgar Selge, Matthias Brandt und jetzt auch Jörg Hartmann, den man vom Dortmunder Tatort als grantigen Kommissar Faber kennt, mit seinem Roman Der Lärm des Lebens.
Nicht chronologisch, initiiert von der sich entwickelnden Demenz und dem späteren Tod des Vaters und ermöglicht von der Bühnenpause während der Pandemie-Zeit, erzählt Jörg Hartmann von Kindheitserlebnissen, von seiner Herkunft aus dem kleinen Ort Herdecke im Ruhrpott, seiner Familie und natürlich seiner Laufbahn als Schauspieler, die im Theater Meiningen begann und ihn schließlich an die Berliner Schaubühne und die Fernsehkameras führte. Sehr lustig und selbstironisch erzählt er von jugendlicher Hybris, als er und sein Schaupielkumpel Hüseyin der Schaubühnen-Regisseurin Andrea Breth – „DIE Breth“ – nachstellten und tatsächlich einen Vorsprechtermin bekamen, gelungenen und weniger gelungenen Auftritten, der Freude am Spielen, aber auch den Schattenseiten des Schauspielerberufs, als er beispielsweise zu spät ans Bett seines sterbenden Vaters kam.
Kindheit im Ruhrpott
Viel Raum erhält Hartmanns Herkunft aus dem Ruhrpott, aus sogenannten „kleinen Verhältnissen“. Hier schwingt soviel Liebe mit, hier ist selbst beim Lesen die typische Intonation vernehmbar – noch besser, man lässt es sich von Autor als Hörbuch vorlesen. Die gehörlosen Großeltern waren während der nationalsozialistischen Herrschaft bedroht, dass hat den Vater zum Genossen gemacht, einer, der mit beiden Beinen auf der Erde stand, aber auch ordentlich feiern konnte. Herrlich, wenn Hartmann von Familientreffen erzählt und auch vor Slapstick-Szenen nicht zurückschreckt.
Aber das Buch ist nicht nur witzig, sondern auch sehr berührend und nachdenklich. Selbstkritisch, aber auch kritisch gegenüber seiner ganzen Generation und allen, die im Rausch der Wiedervereinigung die damals bereits bekannten Tatsachen des drohenden Klimawandels und anderer gesellschaftlicher Probleme einfach weggedrückt haben. Auch Hartman wollte einmal Biologie studieren und Ökologe werden. Angesichts seines großartigen Gefühls für Sprachrhythmus und Aufbau einer Geschichte, seines wirklich großartigen Erzähltalents ist diese Entscheidung aber unbedingt zu begrüßen. Für mich ein Lesehighlight!
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Jörg Hartmann – Der Lärm des Lebens
Rowohlt Berlin März 2024, 304 Seiten, € 24,00
Vielen Dank für den schönen Lesetipp! Bin sehr froh, diesen Blog entdeckt zu haben.
Liebe Birgit, das freut mich sehr. Und das Hartmann Buch kann ich wirklich sehr empfehlen. Viel Lesefreude weiterhin.