Matthias Lohre erzählt in Teufels Bruder vom Jahr 1896 – Die Brüder Thomas und Heinrich Mann stehen noch ganz am Anfang ihrer schriftstellerischen Laufbahn. Thomas ist gerade volljährig geworden und lebt wie sein vier Jahre älterer Bruder von den eher dürftigen Zinserträgen des väterlichen Vermögens, das der Vater, Senator Thomas Johann Heinrich Mann, vor seinem Tod 1891 unter die Verwaltung eines Vormunds gestellt hat. Dieser steht den journalistischen und schriftstellerischen Ambitionen der Brüder skeptisch gegenüber. So ist für diese die Notwendigkeit, Geld zu verdienen stets Hindernis für die angestrebte literarische Karriere und das freie Autorenleben. Der zielstrebigere Heinrich hat bereits einige literarische Erfolge und ist kurzzeitig Herausgeber der nationalchauvinistischer Monatsschrift „Das zwanzigste Jahrhundert“, für die auch Thomas Beiträge schreibt. Eine Anstellung beim satirischen Magazin Simplicissimus reizt diesen hingegen wenig. Lieber möchte er seinen Italien-Aufenthalt mit Heinrich verlängern.
Venedig, Rom, Neapel und Palestrina
Venedig, Rom, Neapel und Palestrina stehen auf dem Reiseplan. Man versucht Vorschüsse für Novellenbände zu erhalten und Erzählungen zu verkaufen, so recht will das nicht gelingen. Während Heinrich eine Affäre mit einer italienischen Schauspielerin beginnt, trifft Thomas einen faszinierenden 15-Jährigen, dem er hinterherreist und den er obsessiv verfolgt, – und entdeckt die Liebe zu Hunden. Der Grundstein so manches Werks der Brüder scheint hier gelegt worden zu sein. Nicht zuletzt der 1901 erscheinende Roman „Buddenbrooks“.
Spekulationen Thomas sei während des Italienaufenthalts einem Strichjungen begegnet und möglicherweise in ein Verbrechen verwickelt gewesen, webt Matthias Lohre in eine atmosphärisch stimmige Handlung, die an den „Tod in Venedig“ erinnert und auch stark von der schwierigen Beziehung der beiden Brüder bestimmt wird. Thomas bewundert den älteren und erfolgreicheren Heinrich, ist von dessen Lebenswandel aber auch abgestoßen. Heinrich leidet immer noch unter der Abneigung seines Vaters. Ein Verhältnis in Hassliebe und Konkurrenz der so gegensätzlichen, von Lohre einfühlsam und psychologisch interessant dargestellt. Zudem lassen sich viele Anspielungen, Bezüge und indirekte Zitate finden, was Spaß macht. Kurz vor seinem Tod hat Thomas Mann wohl geäußert, er sei bei jener Italienreise dem leibhaftigen Teufel begegnet. Eine Begegnung, die ihn zu seinem „Doktor Faustus“ inspiriert habe und in der Lohres Roman kulminiert. Teufels Bruder ist sicher eine der gelungensten, originellsten und lesenswertesten Neuerscheinungen im Thomas-Mann-Jubiläumsjahr.
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Matthias Lohre – Teufels Bruder
Piper Januar 2025, 544 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, € 25,00