Yuko Kuhn – Onigiri

Yuko Kuhn, 1983 in München geboren, schreibt in ihrem Debütroman Onigiri über eine Mutter-Tochter-Beziehung, die stark autobiografisch geprägt ist. Das Aufwachsen in zwei Kulturen thematisiert sie anhand ihrer Protagonistin Aki genauso wie das zunehmende Abgleiten der Mutter Keiko in die Demenz. Keiko, die Anfang der 1970er Jahre nach Deutschland kam, wo sie ihren zukünftigen Mann Karl, den Vater von Aki beim Chorsingen kennenlernte, zwei Kinder auf die Welt brachte. Und die in Deutschland nie so richtig angekommen ist. Yuko Kuhn erzählt davon still, unaufgeregt und liebevoll.

„Yasuko lebt nicht mehr“ So beginnt dieser erste Roman von Yuko Kuhn. „Sie ist einfach gestorben und wir haben es gar nicht gemerkt. Meine Mutter hat irgendwann aufgehört, ihre Familie in Japan anzurufen, erst war sie zu müde, dann wurde sie über die Jahre zu vergesslich.“

Es ist mehr als ein halbes Jahr her, dass Yasuko mit 102 Jahren starb. Der Kontakt nach Japan, in Keikos Heimatstadt Kobe, ist nicht abrupt abgerissen, etwa durch Streit, sondern langsam eingeschlafen. Auch Aki war seit Jahren nicht mehr dort zu Besuch, aber sie erinnert sich noch mit viel Zärtlichkeit an die alte Frau, die der religiösen Gruppe der Sekai Kyūsei Kyō angehörte, in ihrer Jugend schön war, die höhere Schule besuchte und auch nach ihrer Heirat mehr vom Leben wollte, als Hausfrau zu sein, die gern tanzte und den früh verstorbenen Ehemann, der oft betrunken war und sie schlug, nie wirklich vermisste. Aber den Entschluss ihrer ehrgeizigen Tochter Keiko, nach Deutschland zu gehen, hat sie nie verstanden.

Und Keiko wurde in Deutschland nicht glücklich. Im Chor – Singen war ihre große Leidenschaft – lernte sie Karl kennen. Karl stammte aus reichem Elternhaus, die Eltern lehnten Keiko von Anfang an ab. Was wäre gewesen, wenn Schwiegermutter Gesine Keiko nicht so feindselig gegenübergestanden hätte? Was wäre gewesen, wenn sich Karl nicht so von seiner Mutter vereinnahmen lassen hätte? Er selbst litt darunter, versuchte, sich das Leben zu nehmen. Schließlich trennte er sich von Keiko. Zu seinen Kindern Aki und Kenta hielten er und seine Eltern aber weiterhin Kontakt. Keiko aber war allein und ein wenig verloren, ist im fremden Land nie ganz angekommen. Trotz ihrer vielen Chorreisen in aller Herren Länder, ihrer Weltläufigkeit.

Die Reise nach Kobe

Die Großmutter tot, die Mutter in Wohnstift immer mehr ins Vergessen abgleitend – Aki entschließt sich zu einer letzten Reise mit Keiko nach Kobe.

Szenen mit der Mutter und von der Reise nach Japan verwebt Yuko Kuhn in Onigiri mit Erinnerungen und Rückblicken zu einer Art Mosaik. Das geschieht episodenhaft, assoziativ, skizzenhaft, nicht chronologisch geordnet. Daraus entsteht das Porträt dreier Frauen, die aus unterschiedlichen Welten stammen und doch Familie sind. Aki ist mit ihrem deutschen Mann Felix und dem kleinen Sohn fest in Deutschland verwurzelt, reist immer ein wenig staunend nach Japan. Yasuko war dort 102 Jahre zuhause. Dazwischen steht Keiko. Ihre zunehmende Müdigkeit, ihre Verlorenheit steigert sich in der Demenz. Noch einmal in die alte Heimat zu fahren, ihren Bruder Masayuki und andere Verwandte zu treffen, vertraute Speisen und Rituale zu finden, bringt ihr Erinnerungen wieder, sie beginnt zu reden, auch Wünsche für die Zukunft zu äußern, Ängste.

Onigiri, zart, still, zärtlich und doch kraftvoll, ist ein sehr berührendes Buch, gerade weil es völlig unaufgeregt, klar und fast ein wenig nüchtern im Ton ist. Ich habe in diesem Jahr noch kein besseres deutschsprachiges Debüt gelesen.

 

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Yuko Kuhn - Onigiri..

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Yuko Kuhn – Onigiri
Hanser Berlin, Juli 2025, Hardcover, 208 Seiten, € 23,00

 

 

 

 

 

 

 

 

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