Erwachsenwerden und Sport, besonders auch das Aufwachsen in einem migrantisch geprägten Milieu und weibliche Sportlerinnen, sind zwei Themen, die in Romanen, besonders auch in solchen, die sich an eine jugendliche Leserschaft wenden, gern kombiniert werden. Und ein klein wenig hat mich der 2023 für die Shortlist des Booker Prize und 2024 für den Women’s Prize for Fiction nominierte Debütroman der britisch-indischen Autorin Chetna Maroo Western Lane auch an einen Jugendroman erinnert. Und das nicht nur wegen seiner jugendlichen Hauptprotagonistinnen, sondern auch wegen seiner klaren, schnörkellosen Sprache.
Die elfjährige Gopi lebt mit ihren zwei älteren Schwestern Mona und Kush und ihrem Vater am Rande von London. Der Tod der Mutter hat die Familie eine große Trauer ausgelöst und der überforderte Vater stürzt sich mit seinen Töchtern ins Squash-Spielen. Mehrere Stunden am Tag verbringen sie im Sportpark Western Lane, nach der Schule, in den Ferien, am Wochenende – das exzessive Training ist für sie alle auch eine Art Flucht vor der Trauer und dem Schmerz über den Verlust von Ehefrau und Mutter. Der Vater verweigert sich einem Gespräch, selbst zuhause läuft nahezu pausenlos der Fernseher und immer derselbe Film: ein Video über den pakistanischen Squash-Großmeister Jahangir Khan. Vorgeblich um dessen Technik zu studieren, dient dieses Video hauptsächlich dazu, jedem Gespräch mit seinen Töchtern aus dem Weg zu gehen.
Ein Squash-Talent
Während Mona und Kush bald in ihrem sportlichen Eifer nachlassen, entwickelt sich Gopi zu einem richtigen Squash-Talent. Der Sport erlaubt ihr, ihrem Vater ohne viele Worte nah zu sein. Außerdem entwickelt sie zu ihrem neuen Squash-Partner, dem schüchternen Ged, eine tiefe Freundschaft. Und auch ihr Vater knüpft eine vorsichtige Beziehung zu Geds Mutter. Weder Gopis Sportbegeisterung noch die zarten Bande, die der Vater zu der Engländerin knüpft, finden die Billigung der strengen Tante Ranjan, die mit ihrem Mann Pavan kinderlos in Edinburgh lebt. Für Mädchen gehört sich Leistungssport ihrer Meinung nach nicht. Am liebsten würde sie Gopi zu sich nehmen und sie „anständig“ erziehen. Und ist ihr Vater nicht mit den drei Mädchen sowieso überfordert, vernachlässigt seine Arbeit?
Sehr leise und unspektakulär, ja vielleicht sogar ein wenig zu leise und zu unspektakulär, erzählt Chetna Maroo in Western Lane vom Erwachsenwerden von Gopi, ihrer Trauer, ihren Träumen und Sehnsüchten und der starken Kontrolle und den Forderungen ihrer indischen Community, besonders der Tante. Themen wie der Generationskonflikt werden sehr behutsam angesprochen, zum Beispiel bei der Wahl des richtigen Squash-Schlägers, bei der der Vater auf einem Holzmodell besteht, die Schwestern Gopi aber einen aus Metall schenken. Meiner Meinung nach hätte das Buch durchaus mehr Potential gehabt, was vielleicht an dem geringen Umfang scheiterte. Auch das Ende lässt die Leserin nicht sehr zufrieden zurück. So kann man den englischen Blurbs vielleicht sogar zustimmen – „Zauberhaft“ The Times, „Umwerfend“ The Guardian -, lang im Gedächtnis wird der Roman aber eher nicht bleiben.
Beitragsbild by Photo by Firmbee via Freerangestock
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Chetna Maroo – Western Lane
Aus dem Englischen von Charlotte Breuer, Norbert Möllemann
Luchterhand August 2024, Hardcover, 192 Seiten, € 20,00