Sarah Lorenz – Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken

Die große Begeisterung, die – zumindest auf Instagram – über dieses Buch ausgebrochen ist, kann ich leider nicht verstehen. Oder ich kann sie eben nur mit Blick auf die starke Präsenz der Autorin auf Bookstagram, dort unter dem Namen @buchischnubbel unterwegs mit knapp 20.000 Followern, verstehen. Wahrscheinlich bin ich aber auch einfach nur mal wieder nicht die passende Zielgruppe für das Buch von Sarah Lorenz namens Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken. Der Lackmustest hierzu ist recht einfach: „Ich bin so erschöpft vom Fühlen“ heißt es einmal im Buch. Und wer diesen Satz okay findet, der kann es mit diesem autobiografisch inspirierten und mit überquellenden (für mich eher übermäßigen) Gefühlen angefüllten Roman sicher mal versuchen. Ich konnte mit der 39-jährigen Ich-Erzählerin Elisa, die auf ihre ziemlich traurige Kindheit und Jugend zurückblickt, in ihren Gefühlen badet und die Dichterin Mascha Kaléko verehrt, so gar nicht warm werden. Weiterlesen „Sarah Lorenz – Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken“

Liz Moore – Der Gott des Waldes – Kurz vorgestellt

In einem wilden Waldgebiet in den Adirondeck Mountains nördlich von New York besitzt die wohlhabende Familie Van Laar nicht nur eine prächtige Sommerresidenz, sondern betreibt im dortigen Naturpark seit Jahrzehnten auch ein Sommerlager für junge Menschen. In der Natur sollen die Kinder und Jugendlichen ihre Überlebensfähigkeiten trainieren, Gemeinschaft erleben und die langen Sommerferien überbrücken. Diese Lageraufenthalte gehören für Generationen von amerikanischen Kindern zum Sommer dazu – mal geliebt, mal gefürchtet und gehasst. Doch was Liz Moore in ihrem neuen spannenden Roman Der Gott des Waldes aus einem solchen Ferienaufenthalt macht, ist wahrlich nervenzerreibend, auch für die Lesenden.

1975 – Barbara, die 13-jährige Tochter der Van Laars, nimmt auf eigenen Wunsch und gegen den Willen der Eltern erstmals auch am Lagersommer teil. Barbara ist ein schwieriger Teenager, kleidet sich entgegen der Mode der 70er punkig, eckt an, verträgt sich besonders mit ihrer Mutter nicht. In der Campleiterin T.J. Hewitt, von den Kindern respektiert und angehimmelt, hat sie schon lange eine schwesterliche Freundin, kennen die beiden sich doch schon lange, da T.J.s Vater zuvor schon in Diensten der Van Laars. In letzter Zeit wurde er ein wenig wunderlich und hat die Leitung des Camps an seine Tochter übertragen. Auch Barbaras Bettnachbarin Tracy wird sehr bald zu einer guten Freundin. Doch eines Morgens ist Barbaras Bett leer und das Mädchen spurlos verschwunden. Eine fieberhafte Suche beginnt.

Wechselnde Perspektiven und Zeitebenen

Die Betreuerin Louise und ihre Assistentin Annabel verlassen hin und wieder nachts ihre Betten, um sich auch ein wenig Vergnügen zu gönnen. In dieser Nacht waren beide unterwegs und sagen nicht die ganze Wahrheit. Aber auch Tracy und T.J. scheinen etwas zu verschweigen. Und die ganze Familie Van Laar benimmt sich merkwürdig. Vor vierzehn Jahren verschwand bereits der fünfjährige Sohn Bear aus dem Sommercamp und tauchte nie wieder auf. Auch damals gab es viele Fragen und Unstimmigkeiten. Ein Dorfbewohner starb an einem Herzanfall. Danach wurde er verdächtigt. Und was hat der unlängst aus der Haft geflohene „Schlitzer“, der sich Gerüchten nach in der Nähe aufhält, mit der Sache zu tun? Mit der jungen Ermittlerin Judyta, schaltet sich auch die Polizei ein.

In ständig wechselnden Perspektiven und auf verschiedenen Zeitebenen von 1950 bis 1975 beobachten wir das Geschehen, alle Protagonist:innen haben ein etwas anderes Wissen, das erst langsam enthüllt wird. Mit vielen gelungenen Cliffhangern hält Liz Moore die Leser:innen von Der Gott des Waldes über die nicht unbedeutende Lesestrecke bei der Stange. Es geht ihr dabei nicht nur um die Vermisstenfälle, sondern auch um ungute Familiendynamiken, Lieblosigkeit, Misogynie, soziale Ungleichheiten und Coming of age. Das ist sehr gut konstruiert und geschrieben. Und auch wenn das Ende mich nicht völlig überrascht hat und gern noch etwas offener hätte sein dürfen, schließt es die fast 600 Seiten zufriedenstellend ab. Ein Krimi, der weit mehr als nur das ist, oder aber genau das ist, was einen guten Krimi ausmacht: ein scharfes, genaues Gesellschaftsbild.

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Liz Moore - Der Gott des Waldesx

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Liz Moore – Der Gott des Waldes
Aus dem Englischen von Cornelius Hartz.
C.H.Beck Februar 2025, 590 Seiten, Hardcover, € 26,00

Karen Gershon – Das Unterkind

Schon sehr früh fühlt sich die kleine Käthe Löwenthal (der Geburtsname von Karen Gershon) als das Unterkind der wohlhabenden jüdischen Familie aus Bielefeld. Die beiden Schwestern, die sehr bewunderte Anne und die vielgeliebte Lise sind zwei bzw. ein Jahr älter. Und schon seit jüngsten Jahren

„hetzt (sie) sich ab, physisch, aber auch im übertragenen Sinn, um ihre Schwestern einzuholen. Die Tatsache, dass es ihr nie gelang, hat sie wohl zu der Überzeugung gebracht, ein Unterkind zu sein, und das schon vor ihrem zehnten Lebensjahr, in dem die Nazis an die Macht kamen.“ Weiterlesen „Karen Gershon – Das Unterkind“

Tsitsi Dangarembga – Verleugnen

Mit Verleugnen ist nun auch der letzte Band der Tambudzai-Trilogie der Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga auf Deutsch erschienen. Ich habe ihn nach der eigentlichen Reihenfolge, in der er im Original 2006 als The book of not nach dem ersten Teil Aufbrechen (Original Nervous conditions, 1988) folgte, gelesen, kenne also den im letzten Jahr ebenfalls in der Übersetzung durch Annette Grube erschienenen dritten Teil Überleben bisher noch nicht. Weiterlesen „Tsitsi Dangarembga – Verleugnen“

Malla Nunn – Ist die Erde hart

Die in Swasiland geborene und früh mit ihrer Familie nach Australien übergesiedelte Malla Nunn ist durch ihre Krimis um Detective Emmanuel Cooper, der im Apartheid-Südafrika der 1950er Jahre zusammen mit seinem Schwarzen Kollegen Detective Constable Shabalala ermittelt, bekannt. Kein schöner Ort zum Sterben war auch in Deutschland sehr erfolgreich.
Nun ist mit Ist die Erde hart ein Jugendroman von Malla Nunn von Else Laudan für die Ariadne Literaturbibliothek übersetzt worden. Und der lohnt sich auch für die erwachsenen Leser:innen. Weiterlesen „Malla Nunn – Ist die Erde hart“

Najat El Hachmi – Am Montag werden sie uns lieben

Ein weiterer mit dem Nadal-Preis (2021) ausgezeichneter Roman stammt von der marrokanisch-spanischen Autorin Najat El Hachmi. Eindringlich und bewegend erzählt sie darin vom Aufwachsen junger Mädchen aus Migrantenfamilien weit vor den Toren Barcelonas. Zerrissen zwischen den autoritären Ansprüchen ihrer im unangetasteten Patriarchat sozialisierten Eltern und den modernen westlichen Lebensformen, die sie umgeben, suchen Naíma und ihre Freundinnen ihren Weg. Najat El Hachmi lässt sie hoffen, dass nach all den Anstrengungen, es richtig zu machen, sich selbst und sein Verhalten zu perfektionieren, dass dann endlich gilt Am Montag werden sie uns lieben. Weiterlesen „Najat El Hachmi – Am Montag werden sie uns lieben“

Stewart O’Nan – Ocean State

Von Beginn an ist klar, wie Ocean State, der neueste Roman des amerikanischen Autors Stewart ONan enden wird:

„Als ich im achten Schuljahr war, half meine Schwester dabei, ein anderes Mädchen zu töten. Sie sei verliebt gewesen, sagte meine Mutter, als wäre das eine Entschuldigung. Sie habe nicht gewusst, was sie tat.“ Weiterlesen „Stewart O’Nan – Ocean State“

Lea Draeger – Wenn ich euch verraten könnte

 

Zitat Lea Draeger – Wenn ich euch verraten könnte

„Als mein Großvater zwölf Jahre alt war, erhängte sich mein Urgroßvater am Deckenbalken seiner Backstube mit einer Hundeleine.“

Wenn ein Buch mit einem solchen Satz beginnt, ist eigentlich schon klar, dass hier keine Wohlfühllektüre wartet. Der Verlag liefert zudem noch eine Triggerwarnung zu „expliziten Schilderungen psychischer und physischer Gewalt“, etwas dem ich eher unentschlossen-skeptisch gegenüberstehe, was ich hier aber angesichts des wirklich heftigen Inhalts und des jugendlichen Alters der Protagonistin, die gerade für jüngere Leser:innen hohes Identifikationspotential bieten könnte, absolut begrüße. Lea Draeger hat mit Wenn ich euch verraten könnte kein Jugendbuch geschrieben, aber hanserblau ist ja ein Programm, das auch eine etwas jüngere Leserschaft anspricht. Weiterlesen „Lea Draeger – Wenn ich euch verraten könnte“

Douglas Stuart – Shuggie Bain

Im vergangenen Jahr erhielt ein Debütroman den begehrten Booker Prize, die wohl bedeutendste Auszeichnung für englischsprachige Literatur. In seinem autofiktionalen Roman Shuggie Bain erzählt Douglas Stuart vom Aufwachsen in einem Glasgower Randgebiet mit alkoholkranker Mutter in den 1980er Jahren. Das ist erschütternd, warmherzig und trotz seines traurigen, entsetzlichen Inhalts oft sogar locker und heiter erzählt. Ob es literarisch tatsächlich diesem Preis gerecht wird, verglichen beispielsweise mit den Preisträger:innen der Jahre 2017 und 2018 (George Saunders/Lincoln im Bardo, Anna Burns/Milchmann) darf zumindest angezweifelt werden. Lesenswert ist das Buch aber unbedingt. Weiterlesen „Douglas Stuart – Shuggie Bain“

Tsitsi Dangarembga – Aufbrechen

Im Oktober 2021 erhielt Tsitsi Dangarembga in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Diese seit 1950 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels verliehene und mit einer Preissumme von 25.000 Euro verbundene Auszeichnung soll die Selbstverpflichtung des Buchhandels, mit seiner Arbeit der Völkerverständigung zu dienen, ausdrücken. Die Schriftstellerin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe wird deshalb nicht nur für ihr künstlerisches Werk, und hier vor allem für ihre Trilogie um die heranwachsende Frau Tambudzai (in Deutschland sind bisher Band 1 Aufbrechen und Band 3 Überleben erschienen) ausgezeichnet, sondern auch für ihr kulturelles und politisches Engagement. Weiterlesen „Tsitsi Dangarembga – Aufbrechen“