Sylvain Prudhomme – Der Junge im Taxi – Kurz vorgestellt

Simon ist Schriftsteller und Ich-Erzähler im Roman Der Junge im Taxi des französischen Autors Sylvain Prudhomme. Auf der Beerdigung seines Großvaters spricht ihn der angeheiratete Onkel Franz an: „Du hast ja sicher schon von M. reden hören“.

Nein, hat er nicht und es wundert ihn sehr, dass dieser Franz, der den Großvater Malusci „nur eine lächerliche Handvoll Jahre gekannt hat, ja von dem ich nicht einmal sicher bin, ob er ihm sehr nahestand“, etwas Geheimes, vor den Anderen der großen und eng verbundenen Familie Verborgenes wissen soll. Weiterlesen „Sylvain Prudhomme – Der Junge im Taxi – Kurz vorgestellt“

Jean-Baptiste Andrea – Was ich von ihr weiß

2023 erhielt Jean-Baptiste Andrea, 1971 in Cannes geboren, für seinen Roman „Vieller sur elle“ den renommierten Prix Goncourt, jetzt ist dieser unter dem Titel Was ich von ihr weiß auch auf Deutsch erschienen. In einem breiten epischen Bogen erzählt der Autor das Leben des äußerst talentierten, kleinwüchsigen Bildhauers Michelangelo Vitaliani, genannt Mimo, von seiner Geburt 1904 bis zu seinem Sterben in einem italienischen Kloster im Jahr 1986. Weiterlesen „Jean-Baptiste Andrea – Was ich von ihr weiß“

Patrick Modiano – Die Tänzerin

1991 erschien ein Büchlein – Cathérine, die kleine Tänzerin, gewohnt zauberhaft bebildert von Jean-Jacques Sempé -, das vielleicht eine Art Vorläuferin des aktuellen Werks von Patrick Modiano war. Wie alle Werke des Literaturnobelpreisträgers ist es sehr schmal. Die Tänzerin nun mag man mit seinen knapp 93 Seiten kaum mehr Roman nennen. Und doch enthält es die ganze Modiano-Welt. Weiterlesen „Patrick Modiano – Die Tänzerin“

Charline Effah – Die Frauen von Bidi Bidi

Das Camp Bidi Bidi in der Provinz Yumbe im Nordwesten Ugandas gilt als die zweitgrößte Siedlung für Geflüchtete weltweit. Bis zu 270.000 Menschen finden hier Zuflucht, die meisten davon sind seit 2016 vor dem Bürgerkrieg im Südsudan geflohen. Eine erste Station, aber lange noch keine sichere Bleibe, zumal nicht für Frauen und Mädchen. Das macht die in Gabun geborene und nun in Paris lebende Autorin Charline Effah in ihrem Roman Die Frauen von Bidi Bidi deutlich. Weiterlesen „Charline Effah – Die Frauen von Bidi Bidi“

Anna Langfus – Gepäck aus Sand

Wie sehr es mich freut, wenn Romane von Autorinnen neu oder wiederentdeckt werden, die zu ihrer Entstehungszeit nicht ausreichend gewürdigt, verkannt oder erst gar nicht veröffentlicht wurden, habe ich schon oft geschrieben. Gerade in den letzten Jahren hat sich da sehr viel getan und so manche Perle wurde da entdeckt. Mit dem Roman Gepäck aus Sand der polnisch-französische Schriftstellerin Anna Langfus, der nun in neuer Übersetzung von Patricia Klobusiczky und edler Ausstattung in der Anderen Bibliothek erschienen ist, kann das deutschsprachige Lesepublikum nun erneut eine solche Perle entdecken. 1962 wurde der Roman in Frankreich mit dem Prix Goncourt geehrt. In Deutschland fand die Übersetzung wenig Beachtung. Es war wohl zu früh, man wollte nicht lesen, was Langfus zu erzählen hatte. Weiterlesen „Anna Langfus – Gepäck aus Sand“

Emilienne Malfatto – Die Schlangen werden dich holen

Am 5. Januar 2019 wird die 62-jährige Maritza Queiroz Leiva auf der Finca El Diviso im Dschungel der kolumbianischen Sierra Nevada, unweit des karibischen Meers, erschossen. Die Hintergründe der Tat bleiben im Dunkeln und werden von den öffentlichen Stellen nicht näher untersucht. In Kolumbien werden trotz Friedensabkommen der Regierungen mit den verschiedenen Guerillagruppen, wie beispielsweise 2016 mit der FARC, nach wie vor Menschen, die den Mächtigen im Weg stehen – seien es politische Gegner, soziale oder Klimaaktivist:innen – bedroht und ermordet. Nach 50 Jahren Krieg und geschätzt bis zu einer halben Million Todesopfern, zählte man auch 2019 noch 250 Morde, 2023 lag die Zahl bei 188. Ganz gleich, ob sie sich der Drogenmafia, Kaffeebaronen, Tourismusentwicklern oder dem Bergbau entgegenstellen, engagierte Bürger leben gefährlich. Die französische Journalistin, Fotografin und Autorin Emilienne Malfatto hat den Fall Maritza Queiroz Leiva untersucht und darüber die literarische Reportage Die Schlangen werden dich holen verfasst. Weiterlesen „Emilienne Malfatto – Die Schlangen werden dich holen“

Moussa Abadi – Die Königin und der Kalligraph

Es war einmal… Es war einmal eine Stadt, in der Muslime, Juden und Christen friedlich zusammenlebten. Nicht konfliktfrei, jeder in seinem eigenen Dunstkreis, aber doch mit einem gewissen Respekt und vor allem Toleranz vor dem anderen. Es war einmal das Damaskus der Kindheit von Moussa Abadi, 1910 dort geborener Autor des autobiografischen Werks Die Königin und der Kalligraph, und auch ein Stück weit das des 1946 geborenen Schriftstellers Rafik Schami, der zu eben jenem Werk, das gerade in der Übersetzung von Gerhard Meier bei Manesse erschienen ist, ein ausführliches Nachwort beigesteuert hat. Im Jahr 1900 lebten ca. 11.000 Juden in Damaskus. Viele wanderten 1948 oder nach dem Sechstagekrieg 1967 aus. 1992 zählte man noch 4000 Juden in der Judengasse, 2019 waren es laut Rafik Schami nur noch 12. Heute erscheint ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Religionen utopischer als je. Aber es war einmal… Weiterlesen „Moussa Abadi – Die Königin und der Kalligraph“

Isabelle Autissier – Aqua alta

Isabelle AutissierAqua alta – das jährliche Winterhochwasser begleitet Venedig schon seit seiner Gründung in der Lagune. Es kommt durch bestimmte Winde, durch die Gezeiten, niedrigen Luftdruck und weniger als man denkt durch Regen zustande. Seit 1872 wurden über 300 davon erfasst, in jüngster Zeit hat sich ihre Frequenz bedeutend erhöht. Gab es zwischen 1900 und 1910 lediglich zehn solcher Ereignisse, waren es zwischen 2001 und 2010 bereits fünfundsechzig, Tendenz steigend. Weiterlesen „Isabelle Autissier – Aqua alta“

Alice Zeniter – Machtspiele

In ihrem Roman Die Kunst zu verlieren, der 2017 in die Endauswahl für den Prix Goncourt gelangte und den Prix Goncourt des lycéens gewann, schrieb Alice Zeniter autofiktiv über ihre Familie mit französischen und algerischen Wurzeln. Es ist ein sehr bewegendes Buch über das Schicksal der sogenannten Harkis, den Algeriern, die der Kolonialmacht Frankreich nahe standen und für sie auch in den Krieg zogen. Nach der Unabhängigkeit wurden sie verfolgt und mussten zum Teil nach Frankreich fliehen. Der neue Roman Machtspiele hat nun ein völlig anderes Thema und Alice Zeniter enthüllt die ebenfalls arabischen Wurzeln ihrer Protagonistin L. nur spät und en passant. Sie haben fast keine Bedeutung mehr. Weiterlesen „Alice Zeniter – Machtspiele“

Alexandre Labruffe – Erkenntnisse eines Tankwarts

Beauvoire arbeitet als Tankwart an einer Tankstelle in der Peripherie. Flüchtige Begegnungen mit Kunden, seltene Stammgäste, ein streng begrenztes Warensortiment und der ständige Geruch nach Benzin bestimmen seinen Arbeitsalltag. Von seinem Privatleben erfährt man relativ wenig. Es gibt einen Vater, den er häufig anruft, auch wenn dieser meistens mit seinen wechselnden Frauenbekanntschaften beschäftigt ist und recht wenig Interesse an seinem Sohn bekundet. Freund Ray ist zurzeit auch nur telefonisch erreichbar, denn er lebt auf Malta und wurde gerade von seiner Frau verlassen. Die immer wieder auftretende Langeweile während der Arbeit vertreibt sich Beauvoire mit Action- und Horrorfilmen, Rauchen und genauen Beobachtungen, die Autor Alexandre Labruffe seinen Ich-Erzähler in Erkenntnisse eines Tankwarts mit den Lesenden teilen lässt. Weiterlesen „Alexandre Labruffe – Erkenntnisse eines Tankwarts“